Foto: MicroOne-stock.adobe.com

Wie werden wir in Zukunft arbeiten?

Daniel Rother, Branchenbetreuer Industrie und Digitalisierungsberater bei der IHK Niederbayern, über die künftige Arbeitsteilung von Mensch und Maschine.

Schlauer, schneller und schlichtweg fleißig: Künstliche Intelligenz scheint alles besser zu können als wir Menschen. Wird Ihnen da nicht Angst?

Daniel Rother: In der Diskussion um KI wird oftmals künstliche und menschliche Intelligenz gegeneinander ausgespielt und der Eindruck erweckt, das eine könnte das andere ersetzen oder gar überflügeln. Man sollte sich aber vielmehr anschauen, was KI im Wesentlichen bedeutet. Grundlegend wird bei Künstlicher Intelligenz zwischen starker und schwacher KI unterschieden. Eine starke KI würde nach dieser Definition mindestens die gleichen Fähigkeiten aufweisen, wie sie auch der Mensch hat. Dafür gibt es aber derzeit keine technische Lösung. Somit beschränken sich alle aktuellen KI-Systeme rein auf das Lösen von vordefinierten, spezifischen Aufgaben – man spricht hier von der schwachen KI. Zum Beispiel kann ein KI-basiertes Bilderkennungssystem keine Textanalyse vornehmen und umgekehrt. Ein Mensch kann beides und noch viel mehr. Daher ist das Gegeneinanderstellen von Mensch und (KI-)Maschine ein Missverständnis und ein Fehler, der letztlich die digitale Entwicklung zu behindern droht.

Aber selbst eine schwache KI kann doch vieles besser als der Mensch?

Rother: Was Künstliche Intelligenz beispielsweise gut kann, ist große Datenmengen schnell zu analysieren und Muster im scheinbaren Datenchaos zu erkennen. Jede Künstliche Intelligenz ist aber nur so gut, wie sie trainiert und programmiert wurde. Ihren Nutzen und ihren Sinn erfährt KI somit durch die menschliche Intelligenz und Kreativität, mit der sie entwickelt und eingesetzt wird.

Ist Kreativität also die Schlüsselkompetenz für die Arbeitswelt von morgen? Welche Fähigkeiten werden wir im Berufsleben mehr als bisher brauchen?

Rother: Das lässt sich so pauschal nur sehr allgemein beantworten, denn das hängt auch, aber bei weitem nicht nur mit der Digitalisierung zusammen. Es wird immer branchen-, berufs- und betriebsspezifische Kompetenzanforderungen geben, die sich im Laufe des Arbeitslebens zudem verändern, was ein dauerhaftes Dazulernen notwendig macht. Entscheidend ist die Fähigkeit, theoretisches Wissen schnell und zuverlässig in der Praxis anwenden zu können. Immer wichtiger werden zudem vernetztes Denken, Kreativität, Teamfähigkeit, Veränderungsbereitschaft sowie soziale Kompetenzen. Vieles davon ist ohnehin nicht neu. So ging es ohne soziale Kompetenzen schon in der Vergangenheit in der Arbeitswelt nicht voran. Wenn aber verstärkt virtuell zusammengearbeitet wird, örtlich entfernt und auch zu unterschiedlichen Zeiten, dann sind soziale Kompetenzen und deren Anwendung in der realen wie virtuellen (Arbeits-)Umgebung in der Tat noch stärker gefordert. Nur so können die Kreativitätspotenziale effizient gehoben werden, die diese Arbeitsweise eröffnet.

Werden wir denn in Zukunft wirklich so viel anders arbeiten als heute?

Rother: Digitale Technologien machen es einfacher, innerhalb und außerhalb von Organisationen und festen Standorten flexibler zusammenzuarbeiten. Hintergrund ist die digitale Vernetzung, die nahezu weltweit möglich ist. Das kann somit räumliche Flexibilität bedeuten, wenn Mitarbeiter aus Standorten auf der ganzen Welt oder aus dem Homeoffice heraus gemeinsam an einem Projekt arbeiten, ohne dabei im gleichen Besprechungszimmer anwesend sein zu müssen. Es kann auch zeitliche Flexibilität bedeuten. So muss mit den neuen technischen Möglichkeiten eine erfolgsorientierte Zusammenarbeit nicht immer den klassischen Arbeitszeiten folgen.

Können Sie das an einem Beispiel aufzeigen?

Rother: Ganz bildlich gesprochen: Wenn jemand das verantwortete Arbeitspaket beim Strandspaziergang gedanklich ausarbeitet, zwischendurch an Abstimmungen mit den weiteren Beteiligten teilnimmt und am Tag X zum vereinbarten Abgabetermin die notwendigen Ergebnisse liefert, ist das ebenso möglich, wie die Erfüllung der Arbeitsaufgaben am bewährten Büroarbeitsplatz. Wichtig wird es in jedem Fall sein, sich an die gemeinsam festgelegten Spielregeln zu halten und ein noch höheres Maß an Selbstorganisation an den Tag zu legen.

Das mag ja bei Bürojobs klappen, aber in der Produktion doch nicht.

Rother: Im produktionsorientierten Arbeitsumfeld ist das natürlich schwieriger. Letztendlich werden sich auch dort neue Möglichkeiten und Verbesserungen ergeben. Zum Beispiel können Produktionsmitarbeiter beim Handling von schweren Lasten durch kollaborative Roboter unterstützt werden oder Servicetechniker, zusätzlich zur Software-gestützten Fernwartung mithilfe von Augmented Reality-Brillen bei der Fehlersuche und Reparatur vor Ort angeleitet werden.

Wie viele Informatik-Kenntnisse werden wir in Zukunft brauchen?

Rother: Die Basis einer digitalisierten Arbeitswelt liegt in der effektiven und effizienten Anwendung der digitalen Werkzeuge. Das reicht beispielsweise vom selbstverständlichen Umgang mit digitalen Kommunikationstools oder Warenwirtschaftssystemen über grundlegende Programmierkenntnisse in verschiedenen Bereichen bis hin zu einem wesentlichen Verständnis für Cyber-Sicherheit sowie für ein passgenaues Datenmanagement. Solche Themen werden wohl für alle Hierarchieebenen zum Pflichtprogramm gehören.

Wenn ich aber 40 Jahre alt bin und von Informatik nicht viel verstehe: Was kommt da mit dem digitalen Wandel auf mich zu?

Rother: Den Begriff des „lebenslangen Lernens“ gibt es schon lange, doch heute ist er aktueller denn je. Ein erfolgreich erreichter beruflicher oder akademischer Abschluss war schon bisher nicht das Ende der Ausbildung und kann künftig noch weniger als solcher gesehen werden. Es handelt sich ganz im Gegenteil nur um eine erste, aber sehr wichtige Grundlage, auf der im Laufe des weiteren Berufslebens gezielt aufgebaut werden muss – gerade auch mit Blick auf die Anforderungen einer immer weiter digitalisierten Arbeitswelt. Es ist daher weniger eine Frage des Alters als der eigenen Bereitschaft, Veränderungen, wie sie etwa durch die Digitalisierung entstehen, nicht nur „hinzunehmen“, sondern aktiv zu gestalten und zu nutzen. Die Grundlagen dafür vermitteln beispielsweise die berufsbegleitenden Weiterbildungsangebote der unterschiedlichen Bildungsträger, zu denen auch die IHK-Akademie zählt.

Zu welchen Berufen würden Sie Jugendlichen raten, die jetzt ihren Abschluss machen?

Rother: Nach wie vor gilt: Zuerst die eigenen Interessen erkennen, sich dann frühzeitig informieren, zum Beispiel über die Online-Angebote der IHK, und am besten eigene, praktische Erfahrungen dazu sammeln. Hilfreich bei der Berufswahl ist es, den zukünftigen Bedarf an Arbeitskräften zu kennen: Die regionalen Betriebe suchen aktuell überwiegend Fachkräfte mit beruflicher Aus- und Weiterbildung und zu einem viel geringeren Anteil Akademiker. Eine Orientierung bietet hier beispielsweise der Fachkräftemonitor der Bayerischen Industrie- und Handelskammern (www.ihk-fachkraeftemonitor-bayern.de).

Sollten sich Jugendlichen bei der Berufswahl nicht im Klaren sein, dass KI viele Berufe überflüssig macht?

Rother: Mit Blick auf das beschriebene „lebenslange Lernen“ ist das nicht der alleinige Punkt. Wir hören von Betrieben aller Branchen und Größen immer wieder, dass sie trotz vieler Herausforderungen weiterhin den Fachkräftemangel als größtes Entwicklungshemmnis sehen. Die Unternehmen haben daher ein großes Interesse daran, ihre Mitarbeiter zu halten und deren Kompetenzen stetig auszubauen und fortzuentwickeln. Das ist keine neue Erkenntnis und hat auch erst einmal nichts mit Digitalisierung zu tun. Wenn sich durch Digitalisierung aber Aufgabenprofile und Tätigkeiten verändern sowie andere oder neue Kompetenzen gefragt sind, dann ist jedes Unternehmen gut beraten, dabei die eigenen Mitarbeiter samt ihrer Berufs- und Betriebserfahrung mitzunehmen. Digitalisierung muss als gemeinsame Chance für alle Seiten begriffen werden.

Autor: Claudia Rothhammer