Foto: Rainer Wendl

Die große Bahn gewählt

Ulrich Malina erfüllte sich bei Agilis spät seinen Berufswunsch als Lokführer

Es ist bald 40 Jahre her, dass Ulrich Malina als frischgebackener Realschulabsolvent bei der Bundesbahn in München anrief. Der Jugendliche fragte höflichst an, wie er seinen Berufswunsch Lokführer umsetzen könne. Doch der Mann am anderen Ende der Leitung bellte nur ein „Mia ham scho gnua!“ ins Telefon und legte auf. Also lernte Malina halt was anderes. Heute ist er trotzdem Lokführer. Als Quereinsteiger hat es ihn 2012 zur Eisenbahngesellschaft Agilis mit Sitz in Regensburg verschlagen. Neun Monate dauerte die Qualifizierung zum Triebfahrzeugführer, seither ist Malina auf den Strecken von Passau bis Neumarkt sowie von Eggmühl bis Ulm unterwegs. „Es war die absolut richtige Entscheidung“, sagt er über seinen beruflichen Gleiswechsel.

Technik-Verständnis als gute Grundlage

In gewisser Weise war der 55-Jährige damit sogar ein Trendsetter. Denn als während des Corona-Lockdowns der Flugverkehr auf ein Minimum schrumpfte und zudem die Sinnhaftigkeit von innerdeutschen Flügen generell in Frage gestellt wurde, war der Cockpit-Wechsel von Boeing zu ICE plötzlich für zahlreiche Piloten interessant. Malinas Werdegang ist ähnlich. Als Flugzeugtechniker kümmerte er sich mehr als ein Jahrzehnt um die Fehlerbehebung bei großen Passagiermaschinen am Münchner Airport. Später war er lange Zeit als IT-ler in Mitteldeutschland tätig, erst danach kam er auf seinen ursprünglichen Traumberuf zurück. „Die Klammer ist die Technik“, nennt er die Gemeinsamkeit dieser drei Job-Stationen. Technisches Grundverständnis ist folglich auch eine Voraussetzung, die Quereinstiegs-Lokführer bei der Agilis mitbringen sollten. Ob nun eine Tür klemmt oder eine Motor-Einheit ausfällt: Zumindest für eine vorläufige Lösung des Problems sollte das Know-how der Person im Führerstand schon reichen. Ausbildungsleiter Matthias Mader, einst selbst von einem Architekturbüro ins Triebfahrzeug gewechselt, betont aber: „Unsere Bewerber kommen aus den unterschiedlichsten Berufen, nicht nur aus technischen.“

Die wichtigste Eigenschaft eines Lokführers ist ohnehin ein ausgeprägtes Verantwortungs- und Sicherheitsbewusstsein. Wer 100 oder mehr Fahrgäste mit einer 3000-PS-Maschine durch die Gegend kutschiert, muss sich stets im Griff haben. Bei einer Verspätung den Joystick kurzzeitig ein Stückchen mehr herunterdrücken und 140 km/h fahren, obwohl an diesem Streckenabschnitt nur 120 erlaubt sind? So eine Grenzüberschreitung, die sich jeder Autofahrer mal herausnimmt, kommt für Malina und seine Kollegen nicht in Frage – schon allein deshalb nicht, weil die elektronische Fahrtenregistrierung jede Disziplinlosigkeit sofort aufdecken würde.

Schwärmen über die Bilderbuch-Strecke

Neben der körperlichen Tauglichkeit wird bei der Umschulung daher auch die psychologische Eignung unter die Lupe genommen. „Der Job ist jeden Tag anders und immer wieder eine Herausforderung. Bei Verspätungen hat man Stress, bei eintönigen Streckenabschnitten muss man trotzdem die Konzentration hochhalten“, erzählt Malina.. Ganz besonders gilt dies natürlich für jenes schlimme Ereignis, das kaum einer Lokführerlaufbahn erspart bleibt und das im nüchternen Behördendeutsch „Unfall mit Personenschaden“ heißt. „Doch die schönen Seiten dieses Berufs überwiegen eindeutig. Er macht mir immer wieder Spaß“, sagt der Agilis-Mann und verweist auf zwei Aspekte, die er bei seinem Jobwechsel zunächst gar nicht auf dem Schirm hatte. So bezeichnet er den direkten Kontakt zu den Fahrgästen nach den eher nerdigen Jahren als IT-ler als „schöne Ergänzung des Berufsbildes“. Und regelrecht ins Schwärmen gerät Malina, wenn er von seinen Natur- und Landschaftsbeobachtungen erzählt. „Über diese Strecke im Lauf der Jahreszeiten zu gleiten, ist einfach eine tolle Sache“, sagt er beim Passieren der mächtigen Felsen, die im Donautal gegenüber von Matting stehen. Noch besser gefällt ihm nur die Route von Regensburg nach Neumarkt. „Die ist bilderbuchmäßig!“

So haben sich für Ulrich Malina die schönen Vorstellungen bewahrheitet, die er von diesem Beruf schon bei seinem Anruf bei der Bundesbahn in den 80er-Jahren hatte. Die Wartezeit dazwischen hat er unter anderem mit Modellbau gefüllt. Als er dann letztlich doch noch Lokführer werden konnte, verlangte seine Frau eine Grundsatzentscheidung. „Sie stellte mich vor die Wahl: große oder kleine Bahn“, lacht er. So trennte er sich von der Modelleisenbahn und nahm seinen neuen Platz im Führerstand des Triebfahrzeugs ein. Weitere Infos gibt es auf www.agilis.de/bewerbersprechstunde.

Autor: Rainer Wendl